Unternehmen müssen zu verschiedenen Zwecken bewertet werden: für einen angestrebten Verkauf, im Rahmen einer innerfamiliären Nachfolgeregelung, in Zusammenhang mit der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Scheidung oder Tod, aber auch jedes Jahr für die Steuererklärung der Unternehmen zwecks Vermögenssteuer. In der Betriebswirtschaftslehre sind verschiedene Bewertungsmethoden bekannt. Bei KMU wird zu steuerlichen Zwecken zumeist die sogenannte Praktiker-Methode angewendet. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Substanz- und Ertragswertmethode, wobei der Ertragswert in der Regel doppelt und der Substanzwert einfach gewichtet wird. Aber ist diese Bewertungsmethode auch immer angemessen?
Bewertungsmethode
Im Steuerbereich hat sich das Bundesgericht häufig mit dieser Frage befasst. Seiner Ansicht nach ist es nicht willkürlich, wenn bei der Bewertung von Einzelperson-Aktiengesellschaften gleich wie bei Mehrpersonen-Aktiengesellschaften der Ertragswert berücksichtigt wird (2C_583/2013). Zudem würde die Bewertung von Alleinaktiengesellschaften im Dienstleistungssektor lediglich zum Substanzwert systematisch zu sehr tiefen Werten führen und nicht dem Verkehrswert nach Art. 14 StHG entsprechen (2C_866/2019). Hängt der Ertragswert von der Leistung des Beteiligungsinhabers ab, können nach dem Bundesgericht der Ertragswert und der Substanzwert bei der Bewertung je nur einfach gewichtet werden (2C_1057/2018).
Interessanterweise hat sich das Bundesgericht in einem zivilrechtlichen Fall auch zur Frage der Bewertung nach der Praktiker-Methode geäussert (5A_361/2022 vom 24. November 2022). Es stellt klar, dass bei der Wahl der Bewertungsmethode zwar ein Ermessensspielraum bestehe, die gewählte Methode indes in jedem Fall nachvollziehbar, plausibel sowie anerkannt sein müsse und den Verhältnissen im konkreten Einzelfall Rechnung zu tragen habe. In dem genannten Entscheid ging es, im Rahmen einer güterrechtlichen Auseinandersetzung infolge Scheidung, um die Ermittlung des Verkehrswerts eines Unternehmens. Der Verkehrswert eines Vermögensgegenstands ist der Wert, der bei einem Verkauf auf dem freien Markt realisierbar wäre. Das Bundesgericht führt aus, dass bei Unternehmen, die stark vom Inhaber abhängig seien, namentlich von seinem Engagement und dem Vertrauen, das ihm die Kundschaft entgegenbringe, geprüft werden müsse, ob und inwiefern der Ertragswert überhaupt auf einen Dritten übertragen werden könnte. Für die Bewertung personenbezogener Unternehmen sei daher zwischen der personenbezogenen und der unternehmensbezogenen Ertragskraft zu unterscheiden. Die rein personenbezogene Ertragskraft, namentlich der Wert der eigenen Leistung des Unternehmers, sei nicht übertragbar. Sie sei somit auf dem freien Markt nicht realisierbar und damit auch nicht wertrelevant. Werthaltig seien demnach das eingesetzte Kapital resp. dessen angemessene Verzinsung (Kapitalkosten) und die geschäftsbezogene Komponente des Goodwills (wie lange profitiert der Käufer noch vom [guten] Ruf des Verkäufers?). Da die Praktiker-Methode den Ertragswert unter Einbezug der personenbezogenen Elemente ermittle, sei diese Bewertungsmethode für personenbezogene Unternehmen nicht geeignet.
Vermögenssteuerlicher Aspekt
Die Thematik der angemessenen Bewertung von personenbezogenen Unternehmen wurde auch mehrfach im Parlament diskutiert, zuletzt im Juni 2023, als eine Motion eingereicht wurde, die den Bundesrat beauftragt, eine Gesetzesänderung auszuarbeiten, mit dem Ziel, die besondere Situation solcher Unternehmen bei der Bewertung für die Vermögenssteuer zu berücksichtigen. Konkret sieht die Motion vor, dass die Bewertung grundsätzlich auf dem Substanzwert basieren soll, ein späterer Verkauf über dem Substanzwert oder andere ausserordentliche Umstände jedoch zu berücksichtigen wären (z. B. in Form einer nachträglichen Besteuerung des Vermögenssteuerwerts). Angewendet werden soll diese Bewertungsmethode auf Gesellschaften, deren Ertrag ausschliesslich oder nahezu ausschliesslich auf den Leistungen einer an der Gesellschaft ganz oder mehrheitlich beteiligten Einzelperson beruht. Gespannt warten wir auf die Stellungnahme des Bundesrats. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
«In Kürze»
Quelle: EXPERT INFO 3/2023