3 Minuten Minutes reading time 27. November 2024

Aktienrecht

Aktienrechtsrevision: Die Übergangsfrist endet – besteht Handlungsbedarf?

Seit dem 1. Januar 2023 gilt das revidierte Aktienrecht. Die neuen Bestimmungen erhöhen die Flexibilität bei den Kapitalvorschriften, stärken die Aktionärsrechte und erlauben neue Formen von Generalversammlungen. Einige der neuen Regelungen gelten «automatisch» dadurch, dass sie im Gesetz festgeschrieben sind. Sie bedürfen keiner Aufnahme in die Gesellschaftsstatuten und können auch nicht individuell angepasst werden. In diese Kategorie fallen bspw. die zwingenden Vorgaben zur Verlustverrechnung oder die neu eingeführte Zwischendividende. Andere Bestimmungen hingegen müssen explizit in den Statuten verankert sein, damit die Aktiengesellschaft diese anwenden kann; dies gilt zum Beispiel für die virtuelle Generalversammlung. Zudem gibt es neue Regelungen, die im Widerspruch zu bisherigen Statutenartikeln stehen können. Letztgenannte geniessen noch bis Ende Jahr eine Gnadenfrist; danach verlieren sie ihre Gültigkeit. Was bedeutet dies nun für «alte» Statuten?

«Alte» Statuten  

Statutenbestimmungen, die mit dem neuen Recht nicht vereinbar sind, werden per 1. Januar 2025 ausser Kraft gesetzt. Dies dürfte ausschliesslich Statuten betreffen, welche vom Jahr 2022 oder früher datieren. 

Statuten jüngeren Datums fallen zwingend unter das revidierte Aktienrecht und müssen (oder müssten) mit diesem konform sein. Anstelle der für kraftlos erklärten Regelungen gelten die entsprechenden Artikel im Obligationenrecht. Ein Beispiel sind die geänderten Schwellenwerte für die Geltendmachung des Einberufungs- und Traktandierungsrechts durch Aktionärinnen und Aktionäre. Auch ohne Bestimmungen, welche dem neuen Recht widersprechen, kann es faktisch zu einer Änderung kommen. 

Dies ist der Fall, wenn sich die alten Statuten zu einem bestimmten Sachverhalt nicht äussern und dieses Schweigen nach neuem Aktienrecht eine andere Folge nach sich zieht als gemäss dem bisherigen Recht. Dies gilt bspw. für die Befugnis des Verwaltungsrats, die Geschäftsführung zu delegieren. Sofern die Statuten keine abweichende Re- gelungen enthalten, kann der Verwaltungsrat nach neuem Recht die Geschäftsführung delegieren. Bisher war dies nur mit einer expliziten Ermächtigung in den Statuten möglich.

Neue Möglichkeiten

Das neue Aktienrecht ermöglicht es den Aktiengesellschaften, ihre Statuten individueller als bisher auszugestalten und diese auf die konkreten Gegebenheiten abzustimmen. Im Folgenden drei Beispiele:

  • Für international tätige Unternehmen kann es von Vorteil sein, ihr Aktienkapital in der für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung auszuwei Aktuell sind nebst Euro und US-Dollar das britische Pfund sowie der Yen zugelassen.
  • Im Rahmen einer Kapitalrunde könnte sich das Spektrum an potenziellen Investorinnen und Investoren erweitern lassen, indem der Nennwert der Aktien auf einen Wert festgelegt wird, der nur noch grösser als Null sein muss.
  • Aus praktischen Überlegungen für alle Gesellschaften interessant ist die neue Möglichkeit, Generalversammlungen rein virtuell, also ohne physischen Tagungsort, durchführen zu können.

Diese drei Neuerungen haben gemeinsam, dass eine Gesellschaft nur davon profitieren kann, wenn eine entsprechende Bestimmung in ihren Statuten verankert ist. Auch das neue Instrument des Kapitalbands muss in den Statuten geregelt werden, damit eine Gesellschaft davon profitieren kann.

Besteht Handlungsbedarf?

Eine allgemein gültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Je nach Tätigkeitsfeld und -radius, Aktionärs- und Organisationsstruktur sowie weiteren Kriterien besteht akuter oder freiwilliger Handlungsbedarf. Es gilt, die konkrete Situation eines Unternehmens und dessen Bedürfnisse zu beurteilen, um das Potenzial des revidierten Aktienrechts nutzen und massgeschneiderte Statuten errichten zu können.

Und die Verträge?

Rangrücktrittsvereinbarungen, die ab dem 1. Januar 2023 abgeschlossen werden, müssen gemäss Art. 725b Abs. 4 Ziff. 1 OR die Subordination der Zinsen im Vertrag regeln. Bestehende (Arbeits-)verträge sind bis Ende des Jahres an das neue Recht anzupassen. Ansonsten verlieren sie ihre Gültigkeit.

Quelle: EXPERT Info 3/2024