Am 1. Januar 2023 ist das neue Aktienrecht in Kraft getreten. Dabei wurden verschiedene Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) angepasst oder ergänzt. Ein wichtiger Aspekt ist die neue Bestimmung des OR bezüglich der Verrechnung von Verlusten. In Art. 674 OR ist genau geregelt, in welcher zwingenden Reihenfolge Verluste verrechnet werden müssen.
Konkrete Ausgestaltung
Art. 674 Abs. 1 OR sieht folgende Reihenfolge vor:
Zudem besteht die Möglichkeit, verbleibende Verluste teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorzutragen, anstatt sie zu verrechnen. Durch diese Bestimmung ist es weiterhin möglich, die gesetzlichen Kapitalreserven trotz Verlusten zu erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt steuerfrei auszuschütten.
Vorgehen in der Praxis
Bei der Verrechnung des Verlusts mit dem Gewinnvortrag und den freiwilligen Gewinnreserven handelt es sich um eine gesetzlich zwingende Vorgabe. Es ist nicht nötig, dass der Verwaltungsrat einen Antrag an die Generalversammlung bezüglich der Verlustverrechnung stellt, da Gesellschafterinnen und Gesellschafter diesbezüglich kein Wahlrecht haben und folglich auch kein Generalversammlungsbeschluss notwendig ist. Bei revisionspflichtigen Unternehmen entfällt die Stellungnahme im Revisionsbericht. Hat eine Gesellschaft in der Vergangenheit freiwillige Gewinnreserven gebildet, sind Bilanzverluste, die bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Aktienrechts bestanden haben, ebenfalls zwingend zu verrechnen. Dies ergibt sich aus Art. 673 Abs. 3 OR, wonach die Generalversammlung grundsätzlich über die freiwilligen Gewinnreserven verfügt. Bei einer Verrechnung mit den gesetzlichen Gewinn- bzw. Kapitalreserven oder bei einem Vortrag des Verlusts nach Art. 674 Abs. 2 OR muss die Generalversammlung die entsprechende Verlustverrechnung beschliessen. Hierfür ist ein Antrag des Verwaltungsrats an die Generalversammlung bezüglich der Verlustverrechnung oder des Verlustvortrags nötig. Im Fall einer Revision muss die Revisionsstelle den Antrag an die Generalversammlung prüfen und im Revisionsbericht dazu Stellung nehmen.
In Kürze
Quelle: EXPERT INFO 3/2023