Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Für Grenzgänger gilt die allgemeine Sozialversicherungskoordination zwischen der Schweiz und der EU/EFTA. Ein Grenzgänger mit Schweizer oder EU/EFTA-Nationalität, welcher in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten arbeitet und in seinem Wohnsitzstaat mindestens 25 % seiner Arbeitstätigkeit ausübt, ist grundsätzlich dem Sozialversicherungssystem seines Wohnsitzstaats unterstellt. Drittstaatenangehörige sind von dieser Koordinationsregelung nicht erfasst und sind je nach anzuwendendem Recht in mehreren Staaten den Sozialversicherungen unterstellt.
Seit dem 1. Juli 2023 ist in der Schweiz zusätzlich eine multilaterale Vereinbarung in Kraft, welche eine abweichende Versicherungsunterstellung ermöglicht. Laut der Vereinbarung besteht neu die Möglichkeit, die Arbeitnehmenden weiterhin den Sozialversicherungen am Sitz der Arbeitgeberin zu unterstellen, wenn sie zwar über 25 %, aber weniger als 50 % ihrer Arbeitstätigkeit im Wohnsitzstaat ausüben und mindestens 50 % ihrer Arbeit im Sitzstaat der Arbeitgeberin verrichten.
Die Ausnahme ist nur auf Situationen anwendbar, die zwei Staaten betreffen, welche die Vereinbarung unterzeichnet haben. Unter Telearbeit wird die Ausübung der Arbeitstätigkeit ausserhalb des Sitzstaats der Arbeitgeberin – also z. B. im Homeoffice– unter Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnologie der Arbeitgeberin verstanden. Damit die Vereinbarung für ihre Arbeitnehmenden gilt, müssen Schweizer Arbeitgeberinnen bei ihrer AHV- Ausgleichskasse via die Plattform ALPS (Applicable Legislation Portal Switzerland) eine Bescheinigung A1 (maximale Gültigkeit 3 Jahre, verlängerbar) beantragen. ALPS wurde angepasst (neuer Geschäfts- fall «grenzüberschreitende Telearbeit»).
Steuerrechtliche Aspekte
Die Doppelbesteuerungsabkommen und kantonalen Vereinbarungen regeln die Besteuerung der Grenzgänger. Als Grenzgänger gilt im Allgemeinen jede in einem Staat ansässige Person, die in einem angrenzenden Staat bei einer dort ansässigen Arbeitgeberin eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in der Regel jeden Tag in ihren Wohnsitzstaat zurückkehrt. Grundsätzlich werden sie an der Quelle besteuert. Je nach dem anwendbaren Abkommen kann es jedoch vorkommen, dass sie in ihrem Wohnsitzstaat besteuert werden. In diesem Fall zahlt der Wohnsitzstaat einen Ausgleich an den betreffenden Arbeitskanton. Der Grenzgänger muss seiner Schweizer Arbeitgeberin eine Ansässigkeitsbestätigung seines Wohnsitzstaats vorlegen. Wenn die Grenzgängervoraussetzungen des anwendbaren Abkommens nicht (mehr) erfüllt sind, verlieren die Arbeitnehmenden den Grenzgängerstatus und werden als internationale Wochenaufenthalter betrachtet. In diesem Fall muss die Schweizer Arbeitgeberin die Quellensteuer zum ordentlichen Quellensteuertarif auf das Einkommen aus den in der Schweiz geleisteten Arbeitstagen erheben.
Während der Zeit der Coronapandemie hat die Schweiz mit einigen Staaten befristete Abkommen abgeschlossen, die Abweichungen von der strengen Definition für Grenzgänger vorsahen. Nach den zeitlich begrenzten Regelungen zur Behandlung von Homeofficetagen wurden mit angrenzen- den Staaten – wie z. B. Frankreich und Italien – neue Vereinbarungen geschlossen. Diese Regeln u. a., dass bis zu einer bestimmten Anzahl von Tagen oder einem bestimmten Prozentsatz an Telearbeit der Grenzgängerstatus nicht in Frage gestellt wird und dass das Besteuerungsrecht der Schweiz gegenüber dem anderen Land grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird, auch wenn die Tätigkeit vom Ausland aus ausgeübt wurde. Die neuen Abkommen sehen jedoch ein Korrektursystem mittels Abgeltungszahlungen vor. Dafür sehen die Abkommen nun eine Bescheinigungspflicht für Arbeitgeberinnen vor. Der Inhalt der Bescheinigung wird in den jeweiligen Abkommen geregelt, verlangt aber grundsätzlich, dass Angaben über das Einkommen, die Anzahl oder den Prozentsatz der Telearbeitstage und die Anzahl der in der Schweiz geleisteten Arbeitstage übermittelt werden müssen. Die Daten werden den ausländischen Behörden direkt oder über die ESTV weitergeleitet. Umsetzungsfragen werden im Bundesgesetz vom 14. Juni 2024 über die Besteuerung der Telearbeit im internationalen Verhältnis und im Gesetz- das sich noch in der Vernehmlassung befindet– über den internationalen automatischen Informationsaustausch betreffend Lohn- daten geregelt. Die Bescheinigungspflicht soll ab 2025 gelten und die ersten Daten sollen 2026 ins Ausland geschickt werden. Die Systeme sind differenziert und in der Umsetzung kompliziert. Daher empfiehlt es sich, einen Steuerberater hinzuzuziehen.
Quelle: EXPERT Info 3/2024