In der Praxis kommt es regelmässig vor, dass Arbeitnehmende per Bilanzstichtag nicht sämtliche der ihnen zustehenden Ferientage bezogen haben. Als Folge davon erfassen Unternehmen per Bilanzstichtag in der Handelsbilanz eine Verbindlichkeit in Form einer Abgrenzung/Rückstellung für nicht bezogene Ferientage.
Nach dem Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz waren diese Ferienrückstellungen aus steuerlicher Sicht bisher kaum ein Thema. Im Kanton Genf hat die Steuerverwaltung eine Rückstellung für nicht bezogene Ferientage mit der Begründung aufgerechnet, dass diese in erster Linie zur Verringerung der Steuerbelastung gebildet worden und damit nicht geschäftsmässig begründet sei. In seinem Entscheid 9C_192/2024 vom 3. Juli 2024 hat sich das Bundesgericht erstmals zu dieser Thematik geäussert.
Handelsrecht
Gemäss Obligationenrecht ist eine Rückstellung zu erfassen, wenn ein vergangenes Ereignis in zukünftigen Geschäftsjahren einen Mittelabfluss erwarten lässt. Rückstellungen unterscheiden sich von passiven Rechnungsabgrenzungen dadurch, dass bei Rückstellungen bezüglich Zeitpunkt und /oder Höhe des erwarteten Mittelabflusses höhere Unsicherheit besteht.
Arbeitnehmende haben in der Schweiz einen gesetzlichen Anspruch auf mindestens vier Wochen Ferien pro Jahr. Aufgrund dieses Anspruchs qualifizieren nicht bezogene Ferientage per Bilanzstichtag als verpflichtendes Ereignis aus der Vergangenheit. Weiter führen diese nicht bezogenen Ferientage in der Zukunft zu einem Mittelabfluss in Form von Personalaufwand ohne entsprechende Gegen- bzw. Arbeitsleistung. Damit sind die handelsrechtlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung/Abgrenzung gegeben. Das Fehlen einer Rückstellung/Abgrenzung würde den Grundsätzen ordnungsmässiger Rechnungslegung widersprechen.
Gewinnsteuerrecht
Im Schweizer Steuerrecht gilt das Massgeblichkeitsprinzip. Dieses besagt, dass die Handelsbilanz sowie der darin ausgewiesene Gewinn die Grundlage für die Ermittlung des steuerbaren Ergebnisses bilden. Damit sind im handelsrechtlichen Abschluss gebildete Rückstellungen auch steuerlich zulässig und anrechenbar, sofern diese geschäftsmässig begründet sind.
Einschätzung Bundesgericht
In seiner Entscheidungsfindung verweist das Bundesgericht zunächst auf das im Steuerrecht geltende Massgeblichkeitsprinzip. Als zulässig gelten generell Rückstellungen für Verpflichtungen, wenn handelsrechtlich eine Passivierungspflicht besteht. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sind indessen steuerliche Korrekturen zulässig. Die Steuerbehörden sind etwa berechtigt, nicht geschäftsmässig begründete Rückstellungen zur Ermittlung des steuerbaren Gewinns aufzulösen. Die steuerpflichtige Gesellschaft legte im Verfahren keine Dokumentation der «Ferienrückstellung» vor, wonach die Arbeitnehmenden im Umfang der im Geschäftsjahr nicht bezogenen Ferien im nächsten Geschäftsjahr automatisch weniger arbeiten und es damit zu einer Produktivitätsverringerung kommen werde.
In der vorliegenden Entscheidung gab das Bundesgericht der Steuerverwaltung Genf recht. Die Richter argumentierten in sehr summarischer Weise, dass eine Rückstellung für Ferien nicht unter den steuerrechtlichen Begriff «Rückstellungen» gemäss Art. 63 DBG falle. Sie sei im vorliegenden Sachverhalt lediglich dazu geeignet, eine stille Reserve zu schaffen und den Gewinn in der Steuerperiode künstlich zu verringern. Es sei darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht und das Verwaltungsgericht Genf als Vorinstanz mangels adäquater Dokumentation seitens der Steuerpflichtigen nicht auf die Frage eingehen, ob die Steuerpflichtige aufgrund der nicht bezogenen Ferien ein Risiko zur Auszahlung (Mittelabfluss) haben könnte.
Fazit
Aufgrund der gesetzlichen Anforderungen bleiben Rückstellungen/Abgrenzungen für nicht bezogene Ferientage in der handelsrechtlichen Jahresrechnung buchungspflichtig. Die steuerliche Akzeptanz ist hiervon nicht betroffen. Da hinsichtlich des Bezugs dieser Ferientage der Grad an Unsicherheit relativ tief ist, erfolgt die Bilanzierung eher als passive Rechnungsabgrenzung denn als Rückstellung.
Quelle: EXPERT Info 1/2025